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Selektiver Mutismus - Wenn Kinder schweigen

Wenn ein Kind von dieser seltenen Entwicklungsstörung betroffen ist, stehen sowohl die Familie, als auch sonstige wichtige Bezugspersonen, wie z.B. ErzieherInnen und LehrerInnen, vor einer Reihe von Fragen und Herausforderungen.
Mit den folgenden Informationen möchte ich Ihnen helfen, die Situation eines Kindes mit selektivem Mutismus besser zu verstehen und geeignete Unterstützungsmöglichkeiten zu finden.


Begriffserklärung:

selektiv: engl. selective = auswählend, punktuell
Mutismus: lat. mutus = stumm
Selektiver Mutismus bedeutet also, dass ein Kind gegenüber bestimmten Menschen bzw. in bestimmten Situationen nicht spricht.


Vorkommenshäufigkeit:

Etwa 0,2- 1% aller Kinder sind betroffen.


Ursachen

Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination von genetischen, psychologischen und sozialen Faktoren eine Rolle spielt.

  • Genetische Veranlagung: Vorkommenshäufung in einigen Familien
  • Psychologische Faktoren: Traumatische Ereignisse oder psychische Belastungen
  • Soziale Faktoren: Familiäre Dynamik und elterliche Reaktionen

Typische Erkennungsmerkmale
  • Unfähigkeit des Kindes, in bestimmten Situationen zu sprechen (z.B. beim Arzt, in der Kita/Schule, gegenüber Fremden)
  • In vertrauter Umgebung kann das Kind normal sprechen und ist oft sehr gesprächig
  • Die Störung fällt häufig erst im Kindergarten- oder Schulalter auf, weil die Kinder zuhause unauffällig kommunizieren
  • Das Kind erlebt in den Situationen, in denen es nicht spricht, oft starke Angst und Unbehagen
  • Die Störung hält in der Regel über einen längeren Zeitraum an, oft mehrere Monate oder sogar Jahre
  • In Situationen des Schweigens können beim Kind eine oder mehrere der folgenden Symptome beobachtet werden:
    • plötzliches Erstarren, sowohl körperlich als auch in Mimik und Gestik
    • angespannte Körperhaltung
    • fehlender Blickkontakt oder
    • starrer, durch den Gesprächspartner durchgehender Blick
    • gepresste Lippen, kein Lächeln
    • leerer, maskenhafter oder ernster Gesichtsausdruck
    • verzögerte Reaktionen
  • Schwierigkeiten mit Dialogregeln (Begrüßung/Abschied/Dank/Fragen)
  • Bei Schulkindern: Kompensation des Schweigens durch gute schulische Leistungen

Abgrenzung von anderen Störungsbildern

Häufig wird das Verhalten von schweigenden Kindern von ihrer Umwelt als extrem schüchtern oder bockig fehlinterpretiert. Es ist wichtig, dass ein selektiver Mutismus nicht mit Schüchternheit oder sozialer Angst gleichzusetzen ist.
Es liegen auch keine tiefgreifende Entwicklungsstörung (z.B. Autismus), Hörstörung/Gehörlosigkeit oder eine psychische Erkrankung beim Kind vor.
Die Unfähigkeit zu sprechen lässt sich nicht durch fehlende Kenntnisse der Sprache oder Stottern erklären.


Therapie

Es ist zu betonen, dass weder die Eltern noch das Kind Schuld am selektiven Mutismus haben. Es handelt sich um eine komplexe Entwicklungsstörung, die durch frühzeitige professionelle Hilfe bewältigt werden kann.

Wenn Sie vermuten, dass ein Kind von selektivem Mutismus betroffen ist, sollte zunächst das Gespräch mit einem Kinderarzt bzw. einer Kinderärztin gesucht werden. Abhängig vom Kind kann eine multidisziplinäre Therapie sinnvoll sein, die sich aus Logopädie, Psychotherapie und Familientherapie zusammensetzt.


Die Rolle der Logopädie

Ziel einer logopädischen Therapie ist es, das Kind dabei zu unterstützen, seine kommunikativen Fähigkeiten in den betroffenen Situationen zu verbessern:

  1. Vertrauensaufbau: Es wird zunächst daran gearbeitet, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen und eine sichere therapeutische Beziehung aufzubauen.
  2. Überwindung der Angst: Das Kind lernt kleinschrittig, während der Therapiesituation seine sprachlichen Hemmungen zu überwinden. Hierzu stehen verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung, die individuell an das jeweilige Kind und seine Schwierigkeiten angepasst werden müssen.
  3. Aufbau von (sprachlichem) Selbstbewusstsein: Durch Erfolge bekommt das Kind zunehmend mehr Selbstbewusstsein und traut sich mehr zu.
  4. Schrittweise Exposition: Das Kind wird kleinschrittig und behutsam den Situationen ausgesetzt, in denen es normalerweise nicht spricht.
  5. Elternarbeit: Die Einbeziehung der Eltern ist entscheidend für den Erfolg der Therapie.

Die Eltern, aber auch andere wichtige Bezugspersonen für das Kind (u.a. ErzieherInnen und LehrerInnen) werden über das Störungsbild, die Therapieplanung und den -fortschritt informiert und eng in die Therapie miteinbezogen. So können sie es auch außerhalb der Therapiesitzungen unterstützen und stärken.


Fazit

Der selektive Mutismus bei Kindern ist eine herausfordernde Entwicklungsstörung, die eine frühzeitige Diagnostik und professionelle Unterstützung erfordert. Die logopädische Therapie kann einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten und des Selbstvertrauens des Kindes leisten.